Bundeskanzler-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung: „Tür in eine andere professionelle Welt“
Bis
zu 50 Bewerberinnen und Bewerber haben jährlich die Chance auf ein
„Bundeskanzler-Stipendium für künftige Führungskräfte“ der Alexander von
Humboldt-Stiftung. Wir haben zwei ehemalige Stipendiatinnen dazu
befragt, was das Stipendium für ihren Werdegang bedeutet hat.
„Für mich war das
Bundeskanzler-Stipendium
eine Tür in eine andere professionelle Kultur und in ein neues
Lebensverständnis“, erklärt Dr. Olga Sveshnikova. Sie war Dozentin am
Lehrstuhl für Soziologie an der staatlichen Universität Omsk und bekam
2011 die Zusage, ihr Forschungsprojekt „Archäologische Expeditionen als
Element der Kultur“ als Gastwissenschaftlerin an der
Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen
durchzuführen. Und dort ist sie geblieben: Denn „die politische und
gesellschaftliche Situation in Russland hat sich geändert und ich finde,
dass es nicht sicher ist, mit zwei kleinen Kindern jetzt zurückkehren“,
erklärt sie gegenüber dem Alumniportal Deutschland.
Bundeskanzler-Stipendiaten als Mittler
Das Bundeskanzler-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung
richtet sich an international orientierte Hochschulabsolventinnen und
-absolventen mit ersten Führungserfahrungen aus Brasilien, China,
Indien, Russland und den USA. Das Fächerspektrum ist breit,
insbesondere werden Kandidaten aus den Geistes-, Rechts-, Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften zur Bewerbung ermutigt.
Ziel des Programms ist es, internationalen Nachwuchsführungskräften
aus den genannten Ländern schon zu Beginn ihrer Karriere einen längeren
Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Denn wenn sie später in
bedeutenden Positionen etwa in Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik
arbeiten, sollen sie als Mittler zwischen ihrem Heimatland und
Deutschland wirken.
Bundeskanzler-Stipendiaten suchen Antworten auf aktuelle Fragen der Zeit
Ein Ziel des Bundeskanzler-Stipendiums der Alexander von
Humboldt-Stiftung ist es, nach neuen Antworten auf die globalen Fragen
unserer Zeit zu suchen. Dr. Louise K. Davidson-Schmich lehrt
Politikwissenschaft an der University of Miami, Florida. Sie war von
1996 bis 1998 als Bundeskanzler-Stipendiatin an der Humboldt-Universität
Berlin. Zwischen 2006 und 2008 kehrte sie mehrfach zu erneuten
Forschungsaufenthalten nach Deutschland zurück, diesmal an die
Universität Bremen.
„Als Politologin interessiere ich mich besonders für die Motive, die
dazu führen, dass Menschen Politiker werden. Mein Forschungsthema 1996
bis 1998 beschäftigte sich mit den Unterschieden und Ähnlichkeiten
zwischen Ost- und Westberlinern, und zwar mit der Frage, warum sie nach
dem Fall der Mauer in der Lokalpolitik aktiv geworden sind.“ Später
forschte Dr. Davidson-Schmich zu weiblichen Kandidatinnen in der
Politik, um das Wechselspiel zwischen den Anforderungen an eine
politische Karriere, der gesellschaftlichen Geschlechterrolle und
Parteiquoten zu untersuchen. Daraus entstand der viel beachtete
Artikel: „Ahead of her Time: Eva Kolinsky and the Limits of German Gender Quotas“ in German Politics (September 2007).
Das Bundeskanzler-Stipendium stärkt die interkulturelle Kompetenz
Die Projektvorhaben im Rahmen des Bundskanzler-Stipendiums sollten
nicht nur gesellschaftlich relevant sein, sondern auch eine nachhaltige,
öffentlich sichtbare Wirkung entfalten. Zudem sollen sie der weiteren
Karriere der Stipendiaten dienen. In Deutschland geht es darum,
Fachwissen zu vertiefen, neue internationale Erfahrungen zu sammeln und
dabei die interkulturellen Kompetenzen zu stärken. „Das Programm“, so
erläutert Dr. Sveshnikova, „bedeutet nicht nur ein Projekt
durchzuführen, sondern ist ein Fenster in die Welt anderer
professioneller Kulturen. Die Begegnungen mit amerikanischen und
chinesischen Stipendiaten sind eine gute Gelegenheit zum
Kulturaustausch.“
Alumni pflegen Kontakte im Humboldt-Netzwerk
Mit Hilfe des Stipendienprogramms sollen sich die
Bundeskanzler-Stipendiaten während des zwölfmonatigen Aufenthaltes in
Deutschland mit anderen von der Humboldt-Stiftung geförderten
internationalen Nachwuchsführungskräften vernetzen.
Olga Sveshnikova bestätigt das: „Ja! Und das ist ein wichtiger Teil
meines Lebens heute. Mit den Stipendiatinnen und Stipendiaten 2010/2011
treffen wir uns zwar nicht regelmäßig, weil wir in verschiedenen Ländern
oder sogar Kontinenten wohnen, aber wir bleiben in Kontakt. Letzte
Woche zum Beispiel habe ich mit einer anderen Stipendiatin meines
Jahrgangs über das Internet an einem Seminar in New York teilgenommen.“
Olga Sveshnikova findet es auch wichtig, neue Stipendiaten zu
unterstützen: „Als ich in Bremen angekommen bin, haben mir die
Bundeskanzler-Alumni aus den früheren Jahrgängen viel geholfen. Ich
glaube, dass diese Unterstützung wie ein Staffellauf ist, und ich bin
jetzt dran, den Stab weiterzugeben.“ Aktuell berät sie zwei Kollegen aus
Russland bei ihrer Bewerbung für ein Bundeskanzler-Stipendium.
Auch Dr. Davidson-Schmich hält den Kontakt zu anderen ehemaligen
Stipendiaten. „Ich habe unter anderem an mehreren Alumni-Jahrestreffen
in Washington, Sacramento, Berkeley, und Columbus teilgenommen.“
Bedeutung des Bundeskanzler-Stipendiums für die weitere Karriere
Für beide Stipendiatinnen war das Bundeskanzler-Stipendium von
unschätzbarer Bedeutung für ihre akademische Karriere. „Dank des
Stipendiums konnte ich meine Dissertation beenden“, sagt Dr.
Davidson-Schmich. „Dank der Follow-Up-Finanzierung habe ich erreicht,
dass über die Dissertation hinaus meine Anstellung verlängert wurde. Ein
Workshop an meiner Universität führte zu einer weiteren Publikation,
und diese wiederum wird dazu beitragen, dass ich zur ordentlichen
Professorin befördert werde. Außerdem konnte ich dank der Unterstützung
Beruf und Familie in Einklang bringen und meinen Mann und meine Kinder
mehrfach mit nach Deutschland bringen.“
Auch für Dr. Olga Sveshnikova ist das Bundeskanzler-Stipendium ein
entscheidender Karriereschritt: „Ich denke, dass ich die Ergebnisse des
Stipendiums in Deutschland mein ganzes Leben lang spüren werde. Der
Wert des Stipendiums ist unschätzbar.“