Kultivierung der Katastrophe
An der Grenzlinie von Natur und Kultur treten jene Einbrüche auf, welche
die Kultur als "Katastrophe" versteht. Um sie wahrnehmen, darstellen
und deuten zu können, mobilisiert sie alle Spielformen der Kreativität,
auch die der Literatur. Dies lässt sich exemplarisch an der modernen
Schweiz verfolgen. Denn diese kultiviert, als Rückseite der alpinen
Idylle, die Naturkatastrophen, um sich in ihrer Identität als
Willensnation zu stärken. Die Literatur aus der Schweiz trägt mit
vielfältigen Untergangsszenarien zu dieser spezifischen Kultivierung der
Katastrophe bei. In jenem Stillhalteabkommen, in das sich die Schweiz
einmauert, spürt die Literatur jedoch auch eine heimliche Unruhe auf.
Sie hört die Misstöne im Einheitschor, sieht Brandstifter umgehen im
Hotel Schweiz und spiegelt der Schweiz ihre Zuschauerrolle bei den
Weltkatastrophen zurück. So setzt sie die Energie, mit der die
Katastrophe alle politischen, medialen und ästhetischen Grenzen sprengt,
als ästhetische Kreativität frei.
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