Slow Media: Digitale Medien verantwortungsvoll nutzen
Worum geht es bei Slow Media?
Sabria David: Der Slow Media Ansatz analysiert die Auswirkungen des digitalen Wandels zum Beispiel auf die Arbeitswelt. Ursprung dieser Theorie ist das Slow Media Manifest, welches ich mit zwei Kollegen 2010 geschrieben habe. Wir haben dort medienübergreifende Qualitätskriterien für Medien, Journalismus, Kommunikation und das Buch- und Verlagswesen entwickelt. Der Slow Media Ansatz bejaht die technologischen Möglichkeiten unserer Zeit und propagiert ihre bewusste und verantwortliche Nutzung.
Ein wichtiges Slow Media Thema für Sie ist der Digitale Arbeitsschutz. Dazu haben Sie das „Interaktionsmodell Digitaler Arbeitsschutz“ (IDA) entwickelt. Was ist die Motivation?
Sabria David: Ich habe gesehen, dass digitale Medien gerade in der Arbeitswelt sehr starke und auch messbare Auswirkungen haben. Verschiedene Studien belegen, dass die langen Ausfallzeiten durch Burn-out in den letzten zehn Jahren nahezu elf Mal so hoch sind wie früher. Ursache sind die digital getriebenen Veränderungen der Arbeit: Ständige Erreichbarkeit, Aufhebung der Grenze zwischen Privat- und Berufsleben, Unterbrechungen durch E-Mails etc. Das IDA ist ein Präventionskonzept im Sinne von Slow Media, das alle Beteiligten im Blick hat: den einzelnen Arbeitnehmer, die Teams, die Führung. Das IDA ist die wissenschaftliche Basis für den in Kooperation mit dem TÜV Rheinland entwickelten Standard zum Digitalen Arbeitsschutz.
Wie funktioniert Digitaler Arbeitsschutz?
Sabria David: Digitaler Arbeitsschutz unterstützt Unternehmen dabei, konstruktiv mit Erreichbarkeiten, Unterbrechungen und „medialem Revierstress “ durch E-Mails, Handys und Co. umzugehen. Wichtig für Firmen ist ja, dass die Arbeitenden konzentriert und leistungsfähig sind und bleiben. Aus diesem Grund wird digitaler Arbeitsschutz bereits von vielen Unternehmen in die Wege geleitet:
Bei VW können am Wochenende keine E-Mails mehr verschickt werden. Die Angestellten bei Daimler dürfen die E-Mails löschen, die während ihres Urlaubs ankommen und Atos hat die E-Mails ganz aus der internen Kommunikation verbannt, seit die Unternehmensführung festgestellt hat, dass die Mitarbeiter dort wöchentlich 20 Stunden mit ihren E-Mails beschäftigt sind.
Wie werden Ihre Slow Media Ergebnisse international wahr- und aufgenommen?
Sabria David: Die globale Resonanz auf das Slow Media Manifest war riesig. Wir sind sofort sehr stark international wahrgenommen worden. Ins Englische haben wir das Manifest selbst übersetzt. Aber keine zwei Wochen später gab es in Frankreich eine französische Übersetzung, es folgten mehrere russische, ukrainische, eine italienische, spanische und katalanische Übersetzung. In Finnland und Brasilien sind weitere Übersetzungen in Arbeit. Anhand der Verlinkungen auf unsere Blogs haben wir Rückmeldungen aus über 30 Ländern gezählt.
Welche Staaten beschäftigen sich besonders mit Slow Media und was haben sie gemeinsam?
Sabria David: Wir erhalten Rückmeldungen aus sehr unterschiedlichen Ländern – Russland, China, Frankreich, USA, Türkei, Israel, Indien, Finnland, Australien. Sie alle sind technologisch weit fortgeschritten Und jetzt wohl an dem Punkt, wo sie sich fragen, wie man diesen Fortschritt sinnvoll integriert. Wir scheinen da mit Slow Media also einen kritischen Punkt getroffen zu haben.
Ist Slow Media eine Art „Luxusproblem“ der schnelllebigen Industriestaaten?
Sabria David: Natürlich ist der reflektierte Umgang mit Technologie in erster Linie ein Thema für technologisch entwickelte Länder. Ich finde aber die Frage spannend, was mit den Ländern ist, die noch keinen Bedarf an Slow Media Konzepten geäußert haben: Sind sie einfach noch nicht an dem Punkt der übermäßigen Nutzung digitaler Medien angelangt – oder haben sie uns vielleicht etwas voraus, wovon wir noch lernen können?
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