Umweltökonomie: Wie Wirtschaftswissenschaftler Biodiversität in Zahlen fassen
Den Wert von Flora und Fauna in Geld zu
berechnen, wird in der Forschung verstärkt zum Thema. Die Umweltökonomie
entwickelt erste Modelle, um die Biodiversität und die Dienstleistungen von
Ökosystemen in Geldsummen fassen zu können.
Man käme nicht sofort darauf, doch die Fragen haben es in sich: Wie viel
Geld ist eigentlich die Leistung wert, die ein Wald erbringt? Und wie wertvoll
ist die Arbeit von Honigbienen? Solche und andere Themen waren in der
internationalen Umweltpolitik bisher eher unbedeutend, weil die
Dienstleistungen der Natur ökonomisch lange kaum untersucht worden sind. Doch
2007 änderte sich das: Die G8-Staaten und die Europäische Union gaben bei UNEP,
dem UN-Umweltprogramm, eine Studie in Auftrag. Sie sollte den Wert der
Biodiversität des Planeten erfassen und die Dienstleistungen der Natur mit
Preisen versehen. Seitdem spielt die Umweltökonomie mit ihrer neuen Perspektive
auf Natur und Ökosysteme eine größere Rolle.
TEEB-Studie zu Umweltökonomie
und Biodiversität
Die sogenannte TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity)
wurde zwischen 2007 und 2010 durchgeführt, wobei noch immer Ergebnisse und
Empfehlungen veröffentlicht werden. Vorbild für die Studie war der
„Stern-Report“, in dem der britische Ökonom Nicholas Stern 2006 die Kosten
eines ungebremsten Klimawandels erstmals berechnet hat. Die Frage nach den
Kosten wird immer häufiger gestellt: Bei den UN-Klimaverhandlungen geht es etwa
darum, wie Wälder in einem Klimavertrag berücksichtigt werden können. Die
Umweltminister diskutieren diesbezüglich einen Waldschutz-Fonds: Aus ihm sollen
Entwicklungsländer Geld erhalten, wenn sie ihre Wälder schützen, statt sie zur
wirtschaftlichen Nutzung freizugeben.
Immer geht es dabei um den bisher unterschätzten Wert, den ein Wald darstellt.
Sein wirtschaftlicher Nutzen ist immens, wie auch die TEEB-Studie zeigt:
Zwischen zwei und fünf Billionen Dollar Naturkapital verliert die Welt jedes
Jahr durch Waldzerstörung. Nur 45 Milliarden Euro würde es hingegen kosten, den
bedrohten Wald zu erhalten und damit die Kosten zu vermeiden.
Umweltökonomie: Die
Dienstleistungen der Bäume
Die umweltökonomischen Studien zum Wert der Natur stehen noch am Anfang und
sind auch nicht unumstritten. Denn es kommt stark darauf an, welche Faktoren
die Forscher einberechnen. Anders gesagt: Es ist nicht genau klar, welche
Leistungen ein Ökosystem erfüllt – gerade bei internationalen Fragestellungen
wird es noch schwieriger. Deshalb gilt: Je kleiner das Ökosystem ist, desto
genauer sind meist die Studien. Laut dem deutschen Umweltforschungszentrum
(UFZ) ist zum Beispiel ein Hektar Stadtwald in Freiburg über einen Zeitraum von
100 Jahren fast 13.000 Euro wert. Denn der Wald leistet einiges: Er ist Luft-
und Wasserfilter, CO2-Speicher, Holzlieferant und Arbeitgeber für Forstwirte.
Solche Überlegungen fließen in die Studien mit ein, die auch grundlegende
Ergebnisse erbringen: Die Artenvielfalt steigert die Leistung eines Ökosystems.
Und Flussmündungen sowie Mangrovenwälder sind besonders wertvolle Landschaftstypen,
da Hochwasserschutz und Fischzucht hier besondere Leistungen des Ökosystems
darstellen. Ein Beispiel: 1,1 Milliarden Dollar kostet der Erhalt von 12.000
Hektar Mangroven in Vietnam im Jahr. 7,3 Milliarden Dollar würde hingegen
allein die Instandhaltung von Deichen kosten, die künstlichen Hochwasserschutz
leisten. Die Investitionen für den Deichbau fließen in das Bruttoinlandsprodukt
(BIP) Vietnams ein. Der Beitrag der Mangroven wird aber nicht gutgeschrieben.
Im Gegenteil: Die Zerstörung der Mangroven ermöglicht erst ein BIP-Wachstum –
was ökologische Wirtschaftswissenschaftler kritisieren.
Vorsorgender Umweltschutz bei riskanten Projekten
Die Umweltökonomie wirbt für umweltbezogene Wachstumsindikatoren und ein
neues Denken: Der US-Naturökonom Robert Costanza fordert, dass Firmen bei
riskanten Projekten in einen Vorsorgefond einzahlen. Aus diesem fließt Geld an
sie zurück, wenn keine oder nur geringe Schäden entstanden sind. Der Ölkonzern
BP etwa hätte für die Ölbohrung im Golf von Mexiko mehr als ein Viertel seines
Unternehmenswertes vorlegen müssen, schreibt Costanza in einem Aufsatz. „Was
wäre die Reaktion gewesen? Entweder gar nicht zu bohren. Oder nach Wegen zu
suchen, das Risiko zu reduzieren – also mehr Geld in Sicherheitstechnik zu
investieren.“
So lässt sich anhand der Ölkatastrophe errechnen, wie sehr sich
vorsorgender Umweltschutz zum Erhalt der Biodiversität auszahlen könnte. Dieses
Gedankengut aus der Umweltökonomie ist noch jung und beeinflusst die politische
Debatte bisher nur am Rande. Doch Beispiele wie die TEEB-Studie oder auch die
aktuellen Klimaverhandlungen belegen, dass die Frage nach dem Wert der Natur
immer öfter gestellt wird. Das kann ein neuer Schritt sein, mehr Bewusstsein
für ihren Schutz zu schaffen, regional und global.
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