Fasching - Karneval - Fastnachtzeit
In der eigenen Kinderzeit regte sich zu nahender Faschingszeit immer ein schönes Gefühl der Vorfreude. Hier durfte sich verkleidet werden, hier eine andere Person gespielt werden, im weitesten Sinne ein anderes Ich, hier durften närrische Sachen gemacht werden, die sonst schwerlich toleriert würden. Der genaue Hintergrund war zu dieser Lebenszeit unbekannt und es kann davon ausgegangen werden, dass die wenigsten die ‚Närrische Zeit' einer historischen Sinnprüfung unterziehen, dafür ist sie in den katholischen Gebieten Deutschlands zu sehr Inhalt des gelebten Kulturgutes.
In der Geschichte ist es keine Seltenheit, dass ältere Kulte nicht mehr verstanden werden und neue Interpretationen Eingang in die Auslegung des Brauchtums finden. Manchmal werden die alten unverstanden Kulte einfach missverständlich neu gedeutet. Erinnert sei hier unter anderem an die verloren gegangene Begründung beim römischen Kultus der Virgines Vestales, bei dem man in späterer Zeit vergessen hatte, warum die Vestalinnen das Heilwasser aus der Quelle der Camena schöpfen mussten. In der Quelle der Camena wurde ursprünglich die Quellnymphe Egeria verehrt, die als Beraterin des mythischen Königs Numa galt. Aus Camena wurde Carmen gemacht, die Heilquelle wurde zur Musenquelle.
Manchmal wird das Brauchtum den aktuellen politisch-religiösen Erfordernissen angepasst und überlagert. Die Geburt Jesu Christi wurde in der Spätantike vom Tag der Heiligen Drei Könige auf den 24. Dezember gelegt. Es ist die Zeit der Wintersonnenwende, unter anderem die Zeit der Auferstehung des altorientalischen Schöpfungsgottes (Schöpfung - Sonne - Leben), dessen Wiederkunft im jährlich wiederholten Schöpfungskultus zelebriert wurde. Die Überlagerung der mächtigen altorientalischen und antiken Kulte des Ahura Mazda, der Isis, des Mithras sowie von Sol invictus verhalfen auch zur Durchsetzung des Christentums über die heidnische Vergangenheit.
Die Wurzeln der scherzhafter Weise auch ‚fünfte Jahreszeit' genannten Faschings-, Fastnachts- oder Karnevalszeit reichen weit in die vorchristlichen germanischen Zeiten zurück, in denen die Naturvölker Mitteleuropas in ihrem heidnischen Mythos die Götter in der Natur versinnbildlicht verehrten.
Um diese Jahreszeit keimte die Hoffnung auf den sich ankündigenden Frühling bei den im jahreszeitlichen Einklang mit der Natur lebenden Menschen auf.
Die ungleich stärkere Aussetzung des Menschen in den harten Wintern macht es verständlich, dass die Wiedergeburt der Natur im Frühling besonderer Bedeutung zugemessen wurde. Die Rückkehr der Sonne und des wärmenden Lichtes ist hier sicher als Symbol des sich regenerierenden Lebens selbst aufgefasst worden. Die Sturmgeister des Winters, die sich im alles umwallenden Nebel, in Krankheiten, im Mangel an allem und in der schneidenden Kälte offenbarten, mussten symbolisch vertrieben werden. Die Tradition der Fastnachtzeit mit ihrer Interpretation als Vorfrühlings- und Fruchtbarkeitsfest findet lange vor dem 12. Jahrhundert Erwähnung. Die ‚Narreteien' und ‚Mummenschänze', mit denen symbolisch die Geister des Winters vertrieben werden sollten, prägten das Bild jener Tage im Februar seit der vorchristlichen Zeit.
Eine Übersetzung und Deutung des Namens Fastnacht ist aus dem mittelhochdeutschen Wort vas(e)naht entlehnt und bedeutet soviel wie Unfug treiben zu nächtlicher Stunde über die Freude am kommenden Frühling. Der fröhliche Übermut der Menschen ließ sich von der Hoffnung auf die jahreszeitliche Wende inspirieren und kanalisierte gleichzeitig soziale Missstände.
Der Katholischen Kirche dürfte dies anfangs unklar gewesen sein, weswegen immer wieder versucht wurde, die heidnischen Bräuche zu unterbinden. Diese Bestrebungen scheiterten am jahrtausende altem Brauchtum, so dass wie bei vielen anderen Feiertagen dann doch das Positive für die christliche Sache herausgezogen und betont wurde. Es fand hier, wie oben schon erwähnt bei Weihnachten, eine Überlagerung des Brauchtums durch neue christliche Einflüsse statt.
Angesprochen wurde die Umkehr aller Werte, die in der Fastnachtszeit zelebriert wurde, die unweigerlich zum Chaos führen musste. Dem chaotischen Kosmos der närrischen Welt wurde mit dem Aschermittwoch ein Ende gesetzt und der göttlich-mittelalterlichen Ordnung in ihrer Unveränderbarkeit der kosmisch-irdischen Hierarchie zu ihrem ‚Recht' verholfen.
Der Begriff Fastnacht deutet allerdings auch deutlich den christlichen Aspekt an. Im christlichen Jahreskalender bzw. dem Kirchenjahr ist die Zeit vor Ostern die vierzigtägige Zeit des Fastens, in welcher die Wiederauferstehung des Herrn in Jesu Christi als Zeit der demütigen Enthaltsamkeit und eines entsprechend besonders gottgefälligen Lebens gefeiert wird. Die Faschings- bzw. Fastnachtszeit erlaubt hier noch einmal vor Aschermittwoch das Ausleben menschlichster Triebe, die sich unter anderem im ausgiebigen Schmausen, Trinken, Unfug treiben oder sonstigen ‚fragwürdigen' Vergnügungen Ausdruck verleihen.
Hier wird das Miteinander von heidnischem Ursprung und christlicher Bedeutungszuweisung besonders deutlich.
Soziale Spannungen werden in dieser Zeit durch die Umkehrung der Gebräuche und Sitten abgebaut und kanalisiert. Für die Psychologie der Moderne täte sich hier ein spannendes Forschungsgebiet zum Spannungsverhältnis Mensch und Macht auf.
Getrost kann hier zum Schluss Goethes Wort im Osterspaziergang angeführt werden, als er Faust im Gespräch mit Wagner das Volk bei seinen Festlichkeiten besuchen und fast befremdlich spöttelnd bewerten lässt:
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
Da viele Faschings- Fastnachts- und Karnevalsbräuche ein hohes Alter und sehr viele verschiedene Wurzeln haben, sie teilweise auch regional vermischt auftreten, ist ihr genauer Ursprung schwer herauszulesen. In der Bundesrepublik Deutschland haben sich vor allem folgende Schwerpunkte als Feiertage vor allem in katholisch dominierten Bundesländern erhalten:
Rosenmontag
Fastnacht
Aschermittwoch
Literatur:
Andrea Knoche: Traditionelle Bräuche und Feste im Jahreslauf, Schriften des Museums für Thüringer Volkskunde, Volkskunde Populär, Bd. 1, hrsg. v. Marina Moritz, Erfurt 1996, S. 14 ff.
Sybil Gräfin Schönfeldt: Das große Ravensburger Buch der Feste und Bräuche. Durch das Jahr und den Lebenslauf, Ravensburg 1987, S. 51ff.
Angelika und Ingemar König: Der römische Festkalender der Republik, Stuttgart 1991, S. 120 ff.
Brak komentarzy:
Prześlij komentarz