Deutsch als Wissenschaftssprache: Welche Erfahrungen haben Deutschland-Alumni?
Ob in Beijing, Berlin oder Bogotá – in jeder Stadt der Welt ist der Smog eine gesundheitsschädliche Umweltbelastung. Wenn nun in einer dieser Städte eine internationale Konferenz zum Thema „Smog und seine Folgen“ stattfindet, haben die Teilnehmenden aus aller Welt die Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen. Und meistens tun sie das auf Englisch. Deutsch als Wissenschaftssprache ist selbst bei einem mehrheitlich muttersprachlichen Publikum keine Selbstverständlichkeit.
Einige unserer Deutschland-Alumni, die neben ihrer Muttersprache auch Deutsch als Wissenschaftssprache beherrschen, teilen hier ihre Erfahrungen. Die meisten sind sich über den Vorteil einer internationalen Sprache einig: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Muttersprachen können sich miteinander verständigen und über ein Thema austauschen. Sie erleben aber auch Nachteile.
Deutsch als Wissenschaftssprache auf dem Rückzug?
„... die Nachteile einer universellen Wissenschaftssprache sind einerseits ein inhaltlicher Qualitätsverlust und andererseits eine begrenzte Teilnahme an der wissenschaftlichen Diskussion dadurch, dass nicht die Muttersprache verwendet wird“, meint Tang Xiaodan, Alumni-Beauftragte beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Beijing.
Die Erziehungswissenschaftlerin plädiert für die Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft. Für sie ist „Englisch auf der internationalen Ebene eine geeignete Kommunikationssprache, aber auf regionaler Ebene ist es eher die Muttersprache oder eine für die meisten Teilnehmer leicht zu kommunizierende Sprache, wie beispielsweise Deutsch.“ Manche der Besucher einer internationalen Konferenz beherrschen Englisch nicht so fließend wie ihre Muttersprache, deshalb könnte ihr Beitrag durch die Sprachbarriere eingeschränkt werden und an wissenschaftlicher Tiefe verlieren.
Mehrsprachigkeit spiegelt die Vielfalt im wissenschaftlichen Austausch
Luciana Câmara, Professorin an der Musikabteilung der Universität Pernambuco in Recife, Brasilien, weist auf einen entscheidenden Vorteil der Mehrsprachigkeit hin. Die portugiesische Muttersprachlerin studierte im deutschen Freiburg und promovierte anschließend in Schottland. „Während meiner Promotion habe ich bemerkt, wie eingeschränkt die Forschung sein kann, wenn sich Studenten und Professoren auf die englische Sprache beschränken. Dadurch kommen sie nur selten in Kontakt mit anderen Möglichkeiten, Musikwissenschaft – oder Forschung im Allgemeinen – zu betreiben.“
Sprachexperten sind überzeugt, dass jede Sprache einen anderen Blickwinkel auf die Wirklichkeit erlaubt und eigene Argumentationsmuster bietet. Wenn Lehre und Forschung auf eine Wissenschaftssprache beschränkt bleiben, wird auch das geistige Leben eingeengt. Ihre Mehrsprachigkeit erlaubte es Luciana Câmara daher auch, unterschiedliche Denkweisen kennenzulernen. „Es war vorteilhaft für meine Recherche, dass ich Deutsch, Französisch, Spanisch und natürlich Portugiesisch kann. Ich konnte zahlreiche Quellen im Original lesen und das Denken vieler Forscher diskutieren.“
Eine Wissenschaftssprache wächst und entwickelt sich
„Der Forstbereich in Argentinien ist im Anfangsstadium. Die wenigen englischen Forstbegriffe, die man unter Kollegen ‚wissen muss‘, sind noch übersehbar“, sagt Pedro Pantaenius, Forstingenieur und Dozent am Lehrstuhl für Forstnutzung und Forschung am Centro de Investigacion y Extension Forestal Andino Patagonico (CIEFAP) in Chubut, Argentinien. Er beobachtet, wie sich der Stand der Forschung und die wissenschaftliche Auseinandersetzung in der sprachlichen Entwicklung niederschlagen. Er kann den direkten Vergleich mit seiner Muttersprache Spanisch, Englisch und Deutsch ziehen.
„Es gibt auch angewurzelte deutsche Forstbegriffe, wie ‚Plenterwald‘, die schwer ins Englische zu übersetzen sind. Das kommt daher, weil in Deutschland der Schutz des Waldes und der Tiere große Bedeutung hat.“ So wie wissenschaftliche Erkenntnisse wachsen, bilden sich neue Begriffe und Wendungen in der Sprache heraus und erlauben eine genauere Beschreibung des Gegenstands. Dieser Prozess ist bei Pedro gut zu beobachten, der, wie er sagt, deutsche Begriffe im Kopf ins Spanische umwandelt und „‚anpasst‘ an die Verhältnisse vor Ort in den Anden Patagoniens.“
Diskussion über Deutsch als Wissenschaftssprache
Positive Erfahrungen mit Deutsch als Wissenschaftssprache hat auch Aníbal Gärtner Tobón nach seiner Rückkehr von Deutschland nach Kolumbien gemacht, obwohl an dortigen Universitäten das Englische vorherrscht. Und für Tokuichiro Ohno ist Deutsch als Wissenschaftssprache erste Wahl, denn der Professor für Philosophie aus Japan liest die deutschen Philosophen im Original.
Lesen Sie von den Erfahrungen dieser beiden Alumni in der Community und beteiligen auch Sie sich an unserer Diskussion: Welche Erfahrungen haben Sie mit Englisch oder Deutsch als Wissenschaftssprache auf Konferenzen, in Uni-Seminaren oder in Publikationen gemacht? Diskutieren Sie mit uns in der Community-Gruppe „Deutsch als Fremdsprache“!
Autorin: Sabine Müller
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